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Billie Eilish hat schon früh erkannt, dass sie es nicht »richtig« machen kann. In einem Kurzfilm, den sie im Frühjahr 2020 veröffentlichte, reflektierte die damals 18-Jährige ihre Rolle als globales Popidol und ihr Image in den Medien: »Wenn ich etwas Komfortables trage, bin ich keine Frau. Wenn ich die Schichten abstreife, bin ich eine Schlampe. Obwohl ihr noch nie meinen Körper gesehen habt, beurteilt ihr ihn und damit auch mich. Warum?«, fragte sie.
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Wie keine andere Popkünstlerin der jüngsten Zeit gilt Eilish, eine erfolgreiche Sängerin aus Kalifornien, als Rollenmodell für sogenannte Body Positivity, also der Akzeptanz der eigenen Körpermaße und vermeintlichen -makel. Es geht dabei auch darum, sich unabhängig zu machen von gängigen, medial vermittelten Schönheitsnormen, die oft dem sexualisierenden männlichen Blick folgen, dem male gaze.
Anders als beispielsweise die schwarze Sängerin Lizzo, die ihren voluminösen Körper auf Instagram auch komplett entblößt zeigt, hüllte sich Eilish bisher in weite Freizeitklamotten. Ihr Baggy-Look wurde zusammen mit ihrer neongrün-schwarzen Frisur zu einem Markenzeichen; es war eine Verweigerung einer Mainstream-Sexualisierung ihrer Äußerlichkeiten, wie sie vor allem bei weiblichen Entertainment-Stars seit Jahrzehnten üblich ist. Doch damit ist es jetzt vorbei.
Das könnte man zumindest denken, wenn man die Fotos sieht, mit denen sich Eilish für ein Interview in der Juniausgabe der britischen »Vogue« inszenieren ließ: Eilish zeigt darauf mehr Haut als je zuvor, trägt figurbetonende Bustiers, ein Korsett, Latex-Handschuhe und Lingerie. Mit ihren neuerdings blonden Haaren, die sie bereits vor einem Monat enthüllte, sieht sie aus wie eine »Bombshell« aus alten Hollywoodzeiten, ein Glamour-Model, das Männerträume bedient wie einst Marilyn Monroe. Allerdings eine weitaus modernere und selbstbestimmte Variante.
Denn anders als die Hollywoodsexsymbole von einst, suchte sich Eilish die Art ihrer Neuinszenierung selbst aus. Die Kritik, die sogleich im Internet laut wurde, sie verkaufe sich an die Industrie und unterwerfe sich ihren Regeln, laufen daher ins Leere – und verkennen den Akt der Befreiung, den diese Bilder symbolisieren.
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Im Interview mit »Vogue« erklärt Eilish, was es mit ihrem Imagewandel auf sich hat und was er für sie bedeutet. Unzufriedenheit mit ihrem Körper sei der Auslöser für jene Depression gewesen, von der sie unter anderem in den Liedern ihres Debüt-Albums sang. Die weite Kleidung, die sie in der Öffentlichkeit trug, zumal als damals noch Minderjährige, sei ein Mittel für sie gewesen, sich Blicken zu entziehen.
Aber Eilishs Neutralisierung des eigenen Körpers durch demonstrative Verweigerung erkannte die Urteilsmacht anderer eben immer noch an. Erst in diesen neuen Fotos liegt der Schritt in die Unabhängigkeit, sich von der Verantwortung freizumachen, wie und von wem ihre Art, sich zu präsentieren, rezipiert und instrumentalisiert wird.
Konsequent wirft Eilish so auch Advokat:innen von Body Positivity Heuchlerei vor, falls sie für diese durch ihre körperbetonte Offenheit nicht mehr als Vorbild tauge: »Macht mich nicht nicht zu einem Rollenmodell, nur weil ihr euch von mir jetzt angetörnt fühlt«, sagt sie. Ihre Wahl, sich neutral, wenn nicht sittsam anzuziehen, sei kein Statement gegen andere weibliche Popstars gewesen, die sich in spärlichere Kleider hüllten. Seinen Körper und seine Haut zu zeigen oder auch nicht, sagt Eilish, sollte keinen Einfluss darauf haben, wie viel Respekt einem entgegengebracht wird.
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Das ist im modernen Feminismus natürlich nichts Neues, und auch Popkünstlerinnen von Madonna über Rihanna und Beyoncé bis zu Ariana Grande praktizieren diese Art von Selbstermächtigung schon lange. Es geht dabei um die Kontrolle über das eigene Image nach selbstbestimmten Regeln, je nachdem, was das eigene Gefühl gerade vorschreibt: Wer sich sexy und wohl im eigenen Körper fühlt, soll das auch zeigen können, ohne dafür verurteilt oder zum Lustobjekt degradiert zu werden.
Es ist toll, wenn sich Billie Eilish der Hemmnisse und Unsicherheitsgefühle ihrer Teenagerzeit entledigen kann und sich furchtlos so präsentieren kann, wie sie sich gefällt. Die Sensation dieser »Vogue«-Fotos ist ja nicht die nackte Haut, die sie zeigt oder die Form ihres Körpers, die sie nun enthüllt. Die wahre Sensation – und Sexyness – liegt in ihren trotzig-emanzipatorischen Blicken auf diesen von ihr kontrollierten Bildern.